Während meines Urlaubsaufenthaltes in Rom hatte ich die Möglichkeit, eine sehr schöne Kirche zu besuchen: Die Basilika San Clemente. Unter ihr finden sich viele Bauschichten, wobei sich in einer dieser Schichten ein Mithras-Tempel befindet. Es hat mich natürlich sehr interessiert, inwieweit diese römische Mithras-Stätte Verbindungen zum Mithra-Kult im Iran aufweist.
Obwohl die Mithra-Legende, je nach lokalen Einflüssen, etwas variiert, finden sich in dieser Stätte viele Zusammenhänge mit dem persischen Mithra-Kult. Auch ist mehrfach belegt, dass der Mithra-Kult, noch nach der Zerstörung des persischen Achämenidenreiches, im armenischen, hellenistischen und römischen Raum anzutreffen war, z.B. auf Münzprägungen mit Darstellungen aus dem Mithra-Kult und in dem Namen Mitradates, den viele Regenten trugen. Lassen Sie sich nun von mir auf eine kleine Zeitreise mitnehmen und entdecken Sie mit mir, die Basilika, die so viel Schönes unter sich verborgen hält:
Die Basilika in ihrer heutigen Gestalt
Die Basilika San Clemente trägt den Namen des heiligen Papstes Clemens, Verfasser des berühmten Briefes an die Korinther (96 n. Chr.), der etwa im Jahre 100 n. Chr. starb und dessen Gebeine in der Basilika ihre letzte Ruhestätte fanden.
Grabungen unter der jetzigen Basilika förderten im Jahre 1857 nicht nur die ursprüngliche Kirche aus dem 4. Jh. zutage, sondern auch noch tiefer weitere Reste von Gebäuden, die aus dem 1.Jh. stammen. Spätere Ausgrabungen, besonders jene der Jahre 1912-1914, zeigten, dass, unter dieser bereits genannten dritten Schicht, Gebäudereste in einer vierten Schicht erhalten geblieben waren, die die Feuersbrunst unter Nero (64 n. Chr.) überdauert hatten.
In der dritten Bauschicht unterhalb der Basilika befinden sich zwei Gebäude, durch einen schmalen Durchgang von einander getrennt. Das eine ist womöglich ein Wohnhaus, in dessen Hof sich ein dem Mithraskult geweihter Tempel befindet. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein viereckiger Bau, in dessen Mitte ein großer, freier Platz liegt.
Der Mithras-Tempel ist sehr gut erhalten und gibt uns wichtige Aufschlüsse über den Mithraskult. Es gibt, neben Rom, auch viele andere Orte in Europa, an denen gut erhaltene Fundstücke und Mithräen gefunden wurden, wie z.B. in Budapest/Ungarn, Bad Deutsch-Altenburg/Österreich, Köln/Deutschland, etc.
Wer aber ist eigentlich Mithras?
Ausgehend von der mir bekannten Literatur, mache ich eine Unterscheidung zwischen Mithras, dem Gott des römischen Kultes und Mithra, dem persischen Gott.
Die frühesten Zeugnisse gehen ins 2. vorchristliche Jahrtausend zurück, wobei die bislang älteste Erwähnung aus dem 14. Jh. v. Chr. stammt, in der Mithra in einem Vertrag als Garant angerufen wird, er wird quasi als Personifikation des Vertrages, als Gott des Bundes gesehen. Es gibt auch die Gleichsetzung dieses Gottes mit der Sonne. Er ist das heilkräftige Licht, das stets im Kampf mit der Finsternis liegt, die bösen Geister bekämpft und in die Flucht schlägt; hier erinnert manches an den Beinamen des späteren römischen Mithras: Invictus (der Unbesiegbare).
Auch Mithras wurde -als Sonnengott- oft mit einer Fackel dargestellt und als der aus dem Fels geborene Gott bezeichnet. Die Felsgeburt ist eine oft anzutreffende Darstellung so wie auch die Stiertötung, die in der Basilika San Clemente auf dem Altar als sehr gut erhaltenes Relief gezeigt wird.
Die Stiertötung geschah in einer Höhle und bedeutete weniger Vernichtung als Verwandlung. Es ging um die Entstehung neuen Lebens durch das Opfer des Stieres. Aber es entsteht dadurch nicht nur Leben auf der Erde, sondern das gesamte Weltall wird geschaffen.
Oftmals steht der Stier als Symbol für den Winter (im europäischen Raum auch als Symbol für den Mond interpretiert).
Auf den Mithras-Reliefs finden sich auch andere Tiere, die sich alle um den Stier herum aufhalten, der Rabe, der Skorpion, die Schlange, der Hund und auch der Löwe (Symbol für den Sommer). Es ist wohl davon auszugehen, dass sie an der Kraft (in seinem Blut) des Stieres partizipieren wollen.
Anhand unseres Wissens über die wichtigsten Merkmale im Mithraskult, können wir nun die Basilika genauer erkunden:
Die schon anfangs genannte dritte Bauschicht unterhalb der Basilika San Clemente erreichen wir durch einen Eingang in der Schlusswand des Südschiffes der Basilika aus dem 4. Jh., welchem zuerst eine Treppe aus dem 4. Jh. folgt, die in die Räume aus dem 1. Jh. und zum Mithras-Tempel aus dem späten 2. oder frühen 3. Jh. führt.
Nach altem Brauch bestand ein Mithras-Heiligtum aus einem Kultraum und mindestens einem Pronaos (Nebenraum) – je nach finanziellen Möglichkeiten der Anhängergruppen – wobei der Kultraum einen Korridor mit beiderseitigen Liegebänken für die Eingeweihten beherbergt. Hier lag man und nahm das Kultmahl ein.
In der Basilika finden wir am Fuße der Treppe, die in die unteren Schichten führt, gleich um die Ecke den Pronaos des Tempels, dessen Stuckdecke geometrische und Pflanzen-Muster aufweist, welche zusammen mit den Liegebänken für die Eingeweihten so einiges vom ursprünglichen Charakter des Raumes bewahrt haben.
Der Raum wurde in die Mitte eines kleinen Hofes gebaut, wo er als Schauplatz des rituellen Mahles diente.
Auf der anderen Seite des Pronaos befinden sich, neben den drei Bänken (an drei Seiten des Raumes für die Teilnehmer des rituellen Mahles), auch Nischen für Statuen.
Das Kultmahl wurde von den Mithras-Anhängern gemeinsam mit dem “Pater” (Priester) eingenommen, um den Sieg des Mithras über den Stier zu feiern.
Auf dem Tisch vor der Gruppe liegt oft eine Stierhaut ausgebreitet, das Symbol für den Sieg des Mithras, den es zu feiern gilt. Auch Getreide und Wein sind wichtige Symbole, die auch oft als wichtige Grundnahrungsmittel in der Antike dargestellt werden.
Im Kultraum selbst war häufig, dem Eingang des Kultraumes gegenüber, die Rückwand des Raumes zu einer Nische gewölbt, wo sich das zentrale Kultrelief mit der Darstellung der Stiertötung befand. Durch die grottenartige Gestaltung des Hauptraumes wurde das Bild des Kosmos hervorgerufen – sozusagen als Mikrokosmos.
Der Kultraum des Mithras-Heiligtums
Im Sinne der Darstellung des Weltalls finden wir auch im Mithras-Tempel unter der Basilika San Clemente “Sterne” in der Stuckverzierung der Decke und auch elf besondere Öffnungen, von denen die kleineren die sieben Sternbilder, die größeren die vier Jahreszeiten darstellen sollen.
Auf dem Altar, wie man in Abb.3 sehen kann: in der Mitte des Raumes, sehen wir nun das große Relief, das den Kampf von Mithras mit dem Stier darstellt. Er trägt die typische Mithra-Mütze. Unterhalb der Darstellung der Stiertötung sind auch der Skorpion, die Schlange und der Hund gut zu sehen.
Der Mithras-Altar (Darstellung der Stiertötung)
Ebenso finden wir auf dem Altar, an dessen Schmalseiten noch zwei Genien abgebildet, die auch kosmische Bedeutung haben. Die Dadophoren, von denen eine Figur -Cautes- mit der erhobenen Fackel gezeigt wird und die Figur auf der entgegen gesetzten Seite – Cautopates, mit der gesenkten Fackel. Die Auslegung der Symbolik ist nicht eindeutig, man meint Cautes symbolisiert die am Himmel immer höher emporsteigende Sonne (die Zeit v. 21. Dez. bis 21. Juni, also die Sommerzeit) und Cautopates versinnbildlicht die Sonne in der Periode der kürzer werdenden Tage (v. 21. Juni bis 21. Dez., die Winterzeit).
Cautes
Man kann auch noch einen dritten Raum vorfinden, wahrscheinlich eine “Schule”, in dem sich sieben Nischen befinden, die mit eingekratzten Bildern bedeckt sind. Es wird angenommen, dass sie die sieben Weihegrade darstellen, die man durch Absolvierung einer ganzen Serie von Prüfungen erhalten kann, wobei der eigentlichen Einweihung eine Unterrichtung vorausging.
Ein Tunnel liegt ca. 6m unter dem Mithraskomplex und führt so durch die schon erwähnte vierte Bauschicht mit jenen Häusern, die in der neronischen Feuersbrunst vernichtet wurden.
Es gäbe noch viel zu erzählen über Mithra, über Mithras und über die schöne Basilika San Clemente.
Vielleicht lassen Sie sich durch diese Zeitreise inspirieren, selbst auf Forschungsreise zu gehen?
Die Spuren des Mithras führen Sie an viele Orte….
Cautopates
Literaturnachweis:
1) Leonard Boyle O.P. Kurzer Führer durch die San Clemente, Rom 1989
2) Manfred Clauss, Mithras – Kult und Mysterien, München 1990
3) Die Yast’s des Awesta, übersetzt und eingeleitet von H. Lommel, Göttingen-Leipzig 1927