Das iranische Neujahrsfest Nowruz

Das schönste und größte iranische Fest ist das Frühlings- und Neujahrsfest “Nowruz“ („der neue Tag“), dessen Wurzeln mindestens in die Zeit der Achämeniden zurückreichen. Dieses älteste und wichtigste, iranische Fest beginnt mit dem astronomischen Frühlingsanfang, der zugleich der Beginn des iranischen Kalenderjahres ist und nach gregorianischer (abendländischer) Zeitrechnung etwa auf den 20./21. März jedes Jahres fällt [2]. Der eigentliche Höhepunkt des Festes ist der Zeitpunkt der Tag/Nacht-Gleiche („Tahwil-e Sal“).

Nowruz ist das am weitesten verbreitete, und farben­prächtigste der iranischen Feste, dass als Frühlingsfest auch in vielen Ländern der Region, wie Âzərbâican, Afghanistan, Tadschikistan, Pakistan, Irak, in den kurdischen Gebieten, in Üzbekistan, Kazakistan, Kirkizistan, Indien und in der Türkei, und sogar unter den iranisch-stämmigen Juden in Isreal, gefeiert wird. Es ist eben das einzige Fest, das von allen Volksgruppen gefeiert wird und vielleicht deshalb, weil es einer vorislamischen Tradition entstammt, nicht einer einzelnen Religionsgruppe vorbehalten ist.

Über den Ursprung des Nowruz gibt es unterschiedliche Meinungen: Altpersische Legenden erzählen davon, dass Gott den Menschen am ersten Tag des Frühlings erschuf. Am häufigsten wird aber seine Entstehung mit Jamshid, dem mythischen iranischen König, in Verbindung gebracht, wobei das Fest an die Himmelfahrt von Jamshid erinnern soll, für die er einen fliegenden „Wagen“ von den Dämonen hatte bauen lassen; Dämonen, die er zuvor bezwang und in den Dienst der Sterblichen stellte.

Allerdings scheint Nowruz ursprünglich eher aus der Hirten- oder bäuerlichen Kultur, die den Übergang vom Winter zum Sommer verehrt hatten, entstanden zu sein: Fruchtbarkeits- und Erneuerungsriten können ohne Zweifel in manchen Bräuchen erkannt werden.

Zwölf Tage dauert das Fest. Am dreizehnten Tage des neuen Jahres, der als Unglückstag gilt, ziehen die Menschen in die freie Natur, und organisieren einen ausgiebigen Ausflug.

In der Sasaniden-Zeit (226-652 n. Chr.) wurde zwischen einem Klein-Nowruz (am ersten Tag) und einem Großen Nowruz (am sechsten Tag des Neujahrs) unterschieden. Erst später hat sich die Feier auf die heutige Länge von 13 Tagen ausgeweitet.

Im antiken Persien war der Kalender noch ohne regelmäßige Schaltjahre, sodass sich das Nowruz-Fest im Laufe der Jahre immer mehr vom eigentlichen Frühlingsbeginn entfernte. Man fügte dann etwa alle 120 Jahre einen dreizehnten Monat hinzu, um den entstandenen Zeitversatz wieder auszugleichen.

Im Jahr 467 nach iranischer Zeitrechnung (1006 n. Chr.), bzw. um dieses Jahr herum, wurde eine Kalenderreform, woran der berühmte iranische Dichter und Wissenschaftler „Omar Khayyam“ maßgeblich beteiligt war, durchgeführt. Mit dieser Reform wurde der Nowruz auf den ersten Frühlingstag gelegt und Schaltjahre (etwa alle vier Jahre) eingefügt, um den Nowruz an den Frühlingsbeginn zu koppeln.

Seitdem ist der genaue Zeitpunkt des Jahreswechsels im Iran (der astronomische Frühlingsbeginn oder „Tahwil-e Sal“) entweder am Nachmittag des letzten Tages des alten Jahres oder am Vormittag des ersten Tages des neuen Jahres (beide Teheraner Zeit) [3]

Pischvaz-e Nowruz (Vorbereitungen für den Nowruz)

Die Vorbereitungen für den Nowruz beginnen eine Weile vor den Feiertagen.

Obwohl es lokale Unterschiede gibt, bestehen einige Gebräuche überall. Schon fünfzehn Tage vorher wird das Fest vorbereitet: Weizen, das vorher in Wasser zum Keimen gebracht wurde, wächst auf einem Teller oder einer flachen Schüssel zu kleinen grünen Schösslingen (Sabze) heran.

Der Frühlingsputz ist der wichtigste Teil bei der Vorbereitung. Die Hausfrauen haben alle Hände voll zu tun. Beschädigte oder gebrochene Gegenstände müssen unbedingt entsorgt werden. Schöne Blumentöpfe am Fenster, und noch einige Winterfrüchte werden hier und dorthin gestellt, damit es überall schön ausschaut und nach Blumen und Zitrusfrüchten duftet.

Am Vorabend des letzten Mittwochs des Jahres (Charshanbe-Suri), beginnen die Feierlichkeiten. Auf freien Grundstücken oder in unbefahrenen Gassen wird ein kleines Feuer gemacht, über das Jung und Alt springen. Am letzten Freitag des Jahres findet ein Besuch der verstorbenen Verwandten auf dem Friedhof statt.

Am Vorabend des Jahreswechsels laufen die allgemeinen Bäder auf Hochtouren; Alle waschen sich unbedingt den Körper, damit sie den Jahreswechsel sauber erleben. Diese Körperreinigung ist sogar ein Ritual. Unter der Sasaniden-Dynastie, haben sich die Iraner, am Vorabend des Nowruz, nach einer bestimmten Ordnung, den Körper waschen müssen. Zusätzlich war es üblich, den Körper, am nächsten Tag, d.h. am ersten Tag des Frühlingsfestes, in fließendem Wasser, wie in Flüssen u. ä., zu waschen und einander mit Wasser anzuspritzen, damit der Körper von Sünden befreit wird und auch die Seelenqualen beseitigt werden. Solchen Bräuchen begegnet man im Iran noch immer in alten Volksgruppen, besonders am Hochland in den Gebirgen.

Noch immer ist es unter Nomaden und Dorfbewohnern üblich, die Festtags-, und Hochzeitswaschungen, nach bestimmten Bräuchen, in einem natürlichen Bach des Dorfes zu vollziehen.

Haji–Firuz (Nowruz–Botschafter)

Ein noch am Leben erhaltener Brauch vor dem Nowruz, ist der Aufruf des Nowruz-Botschafters „Haji-Firuz“. Das ist ein rot verkleideter Mann, mit einem „Kolah-Bughi“ (langen Magierhut) am Kopf, mit schwarz gefärbtem Gesicht, der, von einer Straße zur anderen, mit einem „Dayere“ (Tamburin) in der Hand fröhliche Lieder singt. Er bringt die Menschen zum Lachen und teilt mit jedem die gute Nachricht: Der Frühling kommt, man soll die Sorgen verjagen, den Kopf hoch halten und fröhlich sein:

Mein Herr, ich begrüße Dich
Mein Herr, heb den Kopf
Schau, wie es überall nach Zuckerbonbon riecht
Mein Herr, warum lachst Du denn nicht?

Charshanbe Suri (Fröhlicher Mittwoch) [4]

Am Vorabend des letzten Mittwochs des Jahres wird ein kleines Feuer** gemacht, über das Jung und Alt springen. Dabei sprechen sie zum Feuer die Worte: „Meine Blässe (=mein Schädliches) möge dir gehören, deine Röte (=dein Gutes) mir.

Meine Blässe für dich,
deine Röte für mich,

meine Kälte ist dir,
deine Wärme ist mir.

Die modernen Wohnviertel Teherans bieten sich schlecht für diesen Brauch an. Aber in den Provinzstädten und auf dem Lande ist er noch immer lebendig.

Es gibt unzählige Bräuche für diesen Abend. Es gibt allgemeine Bräuche, die im ganzen Land bekannt sind und allgemein erhalten werden und viele lokale Glaubensbezogene, auch zum Teil Schamanistische Arten, die schon längst Tradition geworden sind.

In Schiraz

Am selben Abend gehen in Schiraz Leute mit einem Korb Salz umher und verkaufen es den Passanten gegen eine Handvoll Münzen. An diesem Abend wird auch die Zukunft gedeutet.

Hat man sich einen Wunsch ausgedacht, wird ein Schlüssel mit zwei Kerben auf die Erde gelegt; derjenige, der sich etwas gewünscht hat, lehnt das rechte Ohr gegen eine Mauer; und je nachdem, was er hört, erfüllt sich auch sein Wunsch.

Unter die Dachrinne des Hauses wird oft auch ein blauer Krug gestellt, und alle, die sich einen Wunsch ausgedacht haben, werfen irgendetwas in den Krug. Am nächsten Morgen nimmt ein kleines Mädchen die Gegenstände heraus und deutet sie.

Manche stellen sich, mit einem Schlüsselbund unter dem Fuß, an eine Straßenecke, und wünschen sich etwas. Sagt die erste vorbeigehende Person unaufgefordert ein gutes Wort, geht der Wunsch in Erfüllung. Man darf allerdings nicht vergessen, vorher den Schlüssel unter die Dachrinne zu legen.

Andere legen ein paar Münzen in einen Krug, der bei Sonnenuntergang mit den Worten von der Terrasse geworfen wird: „Mögen meine Schmerzen und Sorgen mit diesem Krug verschwinden! “ Man darf sich allerdings dabei nicht umdrehen, sonst könnte ein Unglück geschehen.

In Esfahan (Isfahan)

In Esfahan springt man über ein brennendes blaues Tuch und singt dabei ein paar Reime, die das Böse vertreiben sollen. Auch gibt es zum Teil noch den Brauch, dass sieben Frauen einen Topf mit Wasser füllen, das sie aus sieben Quellen geschöpft haben. Jede von ihnen wirft dann irgendeinen kleinen Gegenstand in den Topf. Über diesen wird ein metallener Teller gestülpt, der ein Erbgegenstand sein muss. Dann steckt man den Topf in den Ofen.

In der Früh des nächsten Morgens holen ihn die Frauen heraus. Die älteste setzt sich, stellt ihn zwischen ihre Beine, deckt ihn mit einem Tuch zu, zieht einen Gegenstand heraus, und hält ihn eine Weile in der geschlossenen Hand, einen Vers des „Hafez“ zitierend. Dann öffnet sie die Hand, und gibt den Gegenstand dem Eigentümer. Je nach Aussage des Verses ist die Zukunft gut oder schlecht.

Sofre-ye Haft-Sin (Nowruz-Tisch)

Wichtigstes Brauchtum sind die Haft-Sin („Sieben-S“). Am Vorabend des Neujahrstages, brennt in jedem Zimmer des Hauses eine Kerze (Symbol des Lichts). Auf einem festlich gedeckten Tischtuch, der in manchen Familien am Boden liegt, oder auf einem Tisch, werden sieben Gegenstände ausgebreitet, die mit dem Buchstaben „S“ (pers. Sin) beginnen: Sabze (Weizen- oder Linsensprossen), Samanu (eine süße Speise aus Weizenkeimen), Sir (Knoblauch), Serke (Essig), Somagh (saures Gewürz), Sib (Apfel) und Senjed (Mehlbeeren). Außerdem kommen Sekke (Münzen), häufig auch Sonbol (Hyazinthe) sowie Sepand (eine wilde Raute) – für den Weihrauch – hinzu. Zusätzlich werden ein Spiegel (Symbol für Glück), ein oder einige Goldfische, die in einem durchsichtigen Wasserkrug schwimmen, ein Stück Brot, bemalte harte Eier sowie Diwan-e Hafez (Gedichtband von Hafez), bei Zoroastriern eher das Awesta und bei Moslemen der Koran, gedeckt.

Die Jahreswende wird, besonders von Kindern, mit Spannung und Aufregung erwartet. Gleich nach der Ankündigung des Neuen Jahres, des „Tahwil-e Sal“, beginnen alle Mitglieder der Familie, die sich zuvor gebadet und in frischen Kleidern um den Tisch versammelt haben, einander zu umarmen und ihre Glückwünsche auszutauschen. Die Älteren beschenken die Jüngeren. Alle Erwachsenen in der Familie versuchen auf jeden Fall den Kindern etwas zu schenken. Diese bekommen häufig Geld in Form von frisch gedruckten Geldscheinen oder heutzutage auch Spielzeuge. Wenn einer sich nichts Großes leisten kann, schenkt er den kleinen Kindern gefärbte Eier und jedem anderen Jüngeren Geldscheine mit nicht allzu großem Wert, aber auf jeden Fall frisch gedruckt. Neue Geldscheine für Nowruz zu drucken, gehört zu den Aufgaben der Nationalbank.

Besuche der Verwandten und Freunde und darauf folgende Gegenbesuche in den ersten zwölf Tagen des neuen Jahres, ist ein anderer schöner Nowruz–Brauch. Dabei werden die Ältesten in der Familie und im Bekanntenkreis zuerst besucht. Der Nowruz–Besuch ruft alle zur Versöhnung auf und bietet Gelegenheit zum Verzeihen an. Alle versuchen, die eventuell schlechte Vergangenheit ruhen zu lassen und einander wieder näher zu kommen.

Festmahle [5]

Alle Familienmitglieder versammeln sich im Eltern- oder Großelternhaus zum Festabendessen. Frischer Weißfisch oder geräucherter Fisch mit Dillreis (Sabsi-Polo ba Ma´hi) wird serviert. An dem Abend werden auch an die neuen Familienmitglieder (Braut oder Bräutigam) Nowruz-Geschenke (Armaghan), verteilt. Entweder eine Goldmünze oder etwas nach ihrem Wunsch oder Bedarf.

Audienz im Königspalast (Persepolis)

Die Achämeniden-Könige (559-330 vor Christus) feierten Nowruz vor allem in Persepolis, ihrer Hauptstadt, und viele Gelehrte sind der Ansicht, dass die Parade der Geschenk-Botschafter der verschiedenen Völkerschaften, wie sie auf den Reliefs der Apadana-Palastwände abgebildet sind, eine Nowruz-Zeremonie darstellt.

Der sechste Tag des Festes war der Große Nowruz. An diesem Tag kamen die Bevölkerungsgruppen in den Palast, um den König beglückwünschen zu können, und jeder konnte sein Festgeschenk persönlich erhalten.

Zeitgenössische Zeugnisse und auch Berichte aus der Frühislamischen Zeit bestätigen, dass die Sasanidenkönige (226-652 n. Chr.) sich der Nowruz-Feier und seinen farbenprächtigen Bräuchen und Zeremonien ausgiebig hingegeben haben. Einige von diesen Quellen neigen dazu, die Zahl sieben hervorzuheben: zum Beispiel wurden sieben Arten von Samen in kleinen Behältern als Teil der Riten und als Schmuck verwendet. Ein Brauch, der in den wenigen heute noch bestehenden Dörfern der Zarathustra-Anhänger im Iran noch beobachtet werden kann.

Der 13. Tag (Sizdah be dar)

Zwölf Tage lang dauert das Fest. Mit dem dreizehnten Tag (Sizdah-be-dar) endet das Fest. Familien und Freunde treffen sich am „Sizdah be dar“, manchmal in großen Gruppen, und verlassen die Stadt gemeinsam und gehen zum Picknicken aufs Land. Man nimmt die Sabze (Weizenkeimlinge) mit, die vor Nowruz gesetzt wurde und schon zu einem grünen „Teppich“ herangewachsen ist, mit und wirft sie in der freien Natur weg, möglichst in einen Fluss.

So glauben sie nicht nur, den Frühling willkommen zu heißen, sondern damit auch das Böse, das der dreizehnte Tag mit sich bringen könnte, dort zu belassen, wo es kein Unheil anrichten kann und damit alles Übel vertreiben zu können.

Auf den Wiesen und in den Wäldern sieht und hört man den ganzen Tag lang, die Menschen fröhlich tanzen und musizieren. Junge Mädchen, die im heiratsfähigen Alter sind, singen, während sie Knoten in die Grashalme flechten, einem alten Brauch entsprechend, immer denselben Vers:

„Der dreizehnte draußen zu unserem Glück,
Und in einem Jahr
Für mich einen Mann
Und in meinen Armen ein Kind!“

Nachwort des Autors:

Ich musste mich bei der Erstellung dieses Heftes leider beschränken. Aus der Fülle des Stoffes, habe ich nur das herausgeholt, was mir bedeutend erschien. Hätte ich versuchen wollen, alle Erzählungen und Bräuche zu bringen, die wir aus der Kulturgeschichte der iranischen Völker kennen, so wäre ein Umfang von gut hundert Seiten erforderlich gewesen.

Meine Darstellung mag subjektiv erscheinen, vor allem dort, wo die Sachverhalte selbst noch umstritten sind. Dies gilt leider für fast alles, was sich auf die Kulturgeschichte des Alt-Irans bezieht. Gleichwohl hoffe ich, wenigstens eine, in sich folgerichtige Gesamtheit von Nowruz entworfen zu haben.

Javad Parsay
Herr Mag. Javad Parsay ist Museumspädagoge in Wien und Mitglied in diversen internationalen Gremien und hat zahlreiche Studien über die iranische Kulturgeschichte veröffentlicht.

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Anhang:

1. Der Iran wurde seitens der UNESCO als Vertreter der 10 Staaten, die „NOWRUZ“ als Neujahrsfest feiern, gewählt, um Nowruz als „Masterpieces of the Oral and Intangible Heritage of Humanity“ der UNESCO zur Registrierung zu bringen. Aus diesem Anlass wurde auch eine einheitliche, lateinische Schreibweise für „NOWRUZ“ empfohlen, die ab nun verwendet werden soll.

2. Die iranischen Kalender
Im Iran sind drei unterschiedliche Kalender in Gebrauch: Im Alltag wird überwiegend der iranische Sonnenkalender verwendet. Die islamischen Feste richten sich nach dem Mondzyklus (islamischen Mondkalender). Im Geschäftsverkehr mit dem westlichen Ausland gilt der gregorianische (christliche) Kalender.

Das iranische Sonnenjahr erstreckt sich vom 21. März bis zum 20. März des darauf folgenden Jahres der christlichen Zeitrechnung. Da die islamisch-iranische Zeitrechnung mit der Übersiedlung Mohammads nach Medina (622 n. Chr.) beginnt, zeigt der iranische Sonnenkalender eine Differenz von 621 oder 622 Jahren zum christlichen Kalender.

Das islamische Mondjahr ist um 11 Tage kürzer als das Sonnenjahr. Es währt also nur 354 Tage, wobei elfmal in 30 Jahren ein zusätzlicher Tag eingefügt wird. Die zwölf islamischen Monate wandern somit durch den Jahreskreis. Da jeder islamische Monat mit dem ersten Sichtbarwerden des Neumonds am Abendhimmel beginnt, kann es zu regionalen Terminverschiebungen kommen.

3. Die Schaltjahrregel lautet: Das Jahr muss um einen Tag verlängert werden, wenn der astronomische Frühlingsbeginn in den Nachmittag (Teheraner Zeit) des 366-ten Tages fällt. Dadurch gibt es in einem Zyklus von 33 Jahren 8 Schaltjahre, wobei ein Mal der Intervall statt 4 Jahre, 5 Jahre beträgt. Eine einfache Faustregel lautet wie folgt: Die Jahreszahl (Hedjri Shamsi) dividiert durch 33, wenn der Restwert 1, 5, 9, 13, 17, 22, 26 oder 30 beträgt, dann ist dieses Jahr ein Schaltjahr. Die genaue Berechnung der Schaltjahre über mehrere Jahrhunderte hinweg ist jedoch etwas komplizierter.

4. Spuren von uralten Bräuchen in Europa, Feuerrituale

„Knisternde Lagerfeuer-Romantik ist Donnerstag Nacht, im Juni, angesagt: Da laden die zwei Dörfer, das eine in Breitenlee und das zweite in Siebenhirten, im Maisfeld zum Johannis-Fest ein – einem uralten Brauch, der wieder zum Leben erweckt wurde. Verliebte, die wissen möchten, ob das „Strohfeuer“ zwischen ihnen bald erlischt oder ob es die Beziehung für’s Leben ist, können den Sprung über die lodernden Flammen wagen. Die Hände müssen dabei gekreuzt sein. Halten sie sich auch noch nach der Feuerprobe fest, stehen die Sterne gut.“ (Auszug aus: Neue Kronen Zeitung, Wien)

  • Jahresfeuer: Feuer ist ein elementarer Bestandteil vieler Riten und Bräuche. Jahreszeitlich gebundene Feuer bilden nur einen Teil des auf’s Ganze gesehen umfangreichen Feuerbrauchtums. Der überwiegende Teil der Jahresfeuer fällt in die erste Jahreshälfte von Weihnachten bis zur Sommermitte, wobei sich in jeder Landschaft bestimmte Termine besonders herauskristallisieren. Für Österreich können wir, aufgrund der Erhebungen zum „Österreichischen Volkskundeatlas“, ziemlich deutliche regionale Schwerpunkte erkennen.
  • Osterfeuer finden wir zum Beispiel im gesamten südösterreichischen Raum (v.a. in den südlichen Gebieten Kärntens, der Steiermark und Burgenlands). Feuer zu Peter und Paul begegnen wir dagegen verstärkt in den nördlichen Teilen Salzburgs und Oberösterreichs, während die Feuer am ersten Fasten – Sonntag, -„Funkensonntag“, „Hollerpfannsonntag“, „Kassuntig“- in Vorarlberg, im Außerfern und Teilen Südtirols, v.a. im Vinschgau, ihren Schwerpunkt haben. Sonnwend- und Johannisfeuer sind eigentlich in ganz Österreich anzutreffen. Eine Besonderheit Tirols sind die Herz-Jesu-Feuer.
  • Sonnwendfeuer: Die Feuer zur Sommersonnenwende weisen wohl vorchristliche Wurzeln auf, waren aber vor allem im Mittelalter sehr verbreitet, und haben sich, über die Verbote der Aufklärung hinweg, vielerorts bis in unsere Zeit erhalten. Im Zuge der Christianisierung, ersetzte die Kirche das Fest der Sommersonnenwende durch jenes der Geburt Johannes des Täufers am 24.6. (= Johannisfeuer), aus den Sonnwendfeuern wurden die Johannesfeuer. Ob jedoch unter dem Namen Sonnwendfeuer oder Johannisfeuer, die Feuer zur Sommersonnenwende zählen zu den verbreitesten in ganz Österreich.
  • Unter dem Namen „Sonnwendfeuer“ werden in Tirol vor allem noch im Raum Innsbruck und im Zillertal Bergfeuer entzündet. Brauchtermine sind die Nächte um die Sommersonnenwende, das ist der 22. Juni. Besonders in den letzten Jahrzehnten sind sie, zugunsten der Herz-Jesu-Feuer, in den Hintergrund getreten, nicht zuletzt deshalb, weil die Feiern zur Sommersonnenwende in der Zeit des Nationalsozialismus für ideologische Zwecke missbraucht wurden.
  • Johannisfeuer: In der Nacht des 24. Juni werden in Tirol, Nieder- und Oberösterreich, Bayern, Baden-Württemberg und Mitteldeutschland (Harz) die Johannisfeuer entzündet. Der 24. Juni ist der Geburtstag Johannes des Täufers. Er geht dem Geburtsfest Christi um sechs Monate voraus, und galt ursprünglich als Fest erster Klasse. Die Kirche versuchte bereits im Mittelalter die älteren Sonnwendfeuer durch die Johannesfeuer zu ersetzen. Das Entzünden von Johannisfeuern ist seit dem 12. Jahrhundert bekannt und seit dem 14. Jahrhundert häufig belegt. Im Mittelalter führte man vor allem Tänze rund um die „Johannisfeuer“ auf. Da das Fest des heiligen Johannes in die Zeit der Sommersonnenwende fällt, war es im Volksglauben mit vielen Bräuchen – besonders Reinigungs-, und Fruchtbarkeitsriten – verbunden.
  • Der Sprung über das Johannisfeuer sollte sowohl baldige Heirat als auch Schutz vor Hexen und Geistern versprechen. Angebrannte Holzstücke steckte man in Felder und Äcker, um diese vor Ungeziefer zu schützen. Auch die Johannisfeuer wurden zunehmend durch Herz-Jesu-Feuer ersetzt. In der Wildschönau, im Zillertal, im Rofangebiet und im Gebiet um Lermoos sind sie jedoch noch zu finden.
  • Herz Jesu-Feuer: Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert werden auf den Bergen Tirols Herz-Jesu-Feuer, als Zeichen der Erneuerung des Herz-Jesu-Gelöbnisses von 1796, entzündet. Als französische Truppen unter Napoleon I. das Land Tirol bedrohten, traten die Tiroler Landstände 1796 in Bozen zusammen, um die Situation zu beraten. Der Stamser Abt Sebastian Stöckl regte dort an, das Land dem „Heiligsten Herzen Jesu“ anzuvertrauen und so göttlichen Beistand zu erhalten. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen,
    die Landstände gelobten im Namen des Volkes, das
    Herz-Jesu-Fest jährlich feierlich zu begehen. Als Herz-Jesu-Tag
    wurde der 2. Freitag nach dem Fronleichnamsfest gewählt.
  • Am Samstag nach diesem Freitag werden nun in ganz Tirol Herz-Jesu-Feuer entzündet. Sie gelten als „lodernder Beweis“ der Unauflösbarkeit des Gelöbnisses der Tiroler Landstände aus dem Jahre 1796. Die Feuer ordnet man häufig in Form von Herzen, Kreuzen oder den Zeichen Christi „INRI“ oder „IHS“ an, aber auch in Schriftzügen, die meist auf die Tiroler Einheit hinweisen.

Literatur.: Wolfram, R. Die Jahresfeuer. In: Österr. Volkskundeatlas. Kommentar und Karten 3. Lfg. (1968), Bl. 52 u. 4. Lfg. (1971), Bl. 68 u. 69. – Haider, Friedrich: Tiroler Brauch im Lebenslauf. Innsbruck 1990. – Teutsch, Brigitte: Tiroler Brauchtum. Rund ums Jahr. Starnberg 1995. – Petzoldt, Leander: Volkstümliche Feste. Ein Führer zu Volksfesten, Märkten und Messen in Deutschland. München 1983. – – Küster, Jürgen: Wörterbuch der Feste und Bräuche im Jahreslauf. Freiburg 1985, 89-90. – Schmidt, L.: Zur Geschichte der Sommer-Sonnwendfeuer in Tirol. Bericht über den fünften Historikertag in Innsbruck (Veröff. D. Verbandes Ö. Geschichtsvereine 13, 1960), 109 f.

5. Spuren von uralten Bräuchen in Europa, Festmahl

„Wie unser Lieblingsfisch Geschichte machte. Er startete seine Karriere als Opfergabe. Und auch die Mönche im Mittelalter wussten, was sie am Karpfen hatten. Amerikaner und Australier verfolgen ihn. Doch in unserer Küche ist seine Popularität ungebrochen.

Glücklich ist, wer vom Weihnachts- oder Silvesterkarpfen eine Schuppe im Portemonnaie aufbewahrt. Ihm wird nie das Geld ausgehen – sagt der Volksmund. Der Karpfen, wenn man über ihn spricht, schneidet immer gut ab. Schon dass er zum Festtagsschmaus auserwählt ist, wird ihm positiv ausgelegt. Die Göttin Freia erhob ihn, wegen seiner Fruchtbarkeit, in den Rang eines heiligen Tieres. In verweltlichter Form, geschieht das heute noch am Heiligen Abend oder zu Silvester.

Ja, der Karpfen ist uralt. Aber die Eiszeit hat er vermutlich doch nicht miterlebt, wie eine von vielen Theorien lautet. Die Kälte hätte er kaum überstanden, da er für Temperaturen so um 23 Grad zu haben ist. Wahrscheinlicher klingt, dass er ursprünglich im Kaspischen Meer zu Hause war, von wo er sich nach Osten und Westen ausbreitete.

Auf seinem Weg nach Westen, gelangte er in das Schwarze Meer, schwamm die Donau hinauf bis in das Herz Europas. Und weil er ihnen als Fastenspeise gelegen kam, kümmerten sich die Mönche im Mittelalter um sein Gedeihen. Den Ur-Karpfen gibt es. Schlank, lang gestreckt und gänzlich mit Schuppen versehen, lebt er, unweit von Wien, in den Donauauen. Sein Fleisch ist zartrosa – er ernährt sich von Muscheln.“ (Auszug aus: Neue Kronen Zeitung, Wien)

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