Teheraner Bürgermeister hat seine Stadt rundum aufgeputzt

Das neue Teheran – jung, modern und dynamisch

Kian Moshiri spricht gern über Teheran, wenn er im Taxi sitzt. Besonders über den Realitätsverlust des – wie er sagt – „verkommenen“ Nordens, der ihn stört: Seit 70 Jahren wohnt der 80-jährige Greis in seiner Stadt. „Woran merke ich, dass ich bei uns nicht im Norden, sondern im Süden bin? Die Antwort ist einfach. Die Leute reden übers Leben, über das Überleben, sind sehr nervös und müssen sich richtig anstrengen, um die Tücken des Alltags zu überstehen. Einige nehmen Drogen zur Beruhigung, andere müssen ihren Körper verkaufen. Dritte sind Bettler und die große Masse schluckt und schluckt ihren Frust hinunter. Aber wie lange kann man schlucken? Doch im Norden kümmern sich die Leute nur darum, ob sie ihre Nase operieren sollen oder nicht, und ob irgendein Shahram Kashani (iranischer Popsänger, Anm.) schon eine neue CD herausgebracht hat oder nicht“, ätzt er. Der Taxifahrer des Mercedes 180, der auch hier selten geworden ist, holt tief Atem. Während er im armen Süden wohnt, sind seine Kunden, die er chauffiert, vorwiegend aus dem Norden. Dort hat man eben mehr Geld. Er ist jetzt wieder im südlichen Teil Teherans angekommen. Hier dürfen nur ausgewählte Linientaxis und Fahrzeuge, die eine spezielle Erlaubnis haben, am Verkehr teilnehmen, z. B. jene, deren Besitzer auch hier wohnen. Diese Maßnahme wurde vor einigen Jahren notwendig, da der arme Süden der Millionenmetropole in Autos zu versinken drohte. Dieser geregelte Abschnitt im bevölkerungsreichsten Teil der Stadt wird „Tarhe Traffic“ genannt. Verantwortlich dafür ist Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf. Der 48-jährige Politiker hat sich in den letzten fünf Jahren dafür eingesetzt, dass seine Stadt in einem neuen Glanz erscheint. Die Errichtung von 200 Sportanlagen in Parks, des 2136 Meter langen Tohid-Tunnels, der mehrere Autobahnen miteinander verbindet und des mit einer Höhe von 435 Metern viertgrößten Fernsehturms der Welt fallen in seine Amtszeit.

Rechtzeitig vor Sommerbeginn hat Ghalibaf eine Stadtsäuberung veranlasst, über die sich die Menschen in Teheran sehr freuen. Durch die „Initiative Grün“, bei der ständig neue Grünanlagen in dicht bewohnten Gebieten entstehen, haben die 22 Bezirke der 15 Millionen Metropole zudem mehr Lebensqualität bekommen. Parallel dazu wächst auch die Skyline der Stadt stetig und verleiht ihr einen Touch von Manhatten.

Dennoch gibt es enorme regionale Disparitäten. Der Süden („Payine Shahr“) unterscheidet sich maßgeblich vom Norden. Das Arm-Reich-Gefälle ist beachtlich. Die Lebenserhaltungskosten sind so hoch, dass es für viele Familien mittlerweile zum Luxus(!)geworden ist, Fleisch zu essen. Den Baharestan-Platz prägen alte, stinkende und mit einem Zweiabteilsystem ausgestattete Autobusse (vorne die Männer, hinten die Frauen), die in Westeuropa 1988 gänzlich aus dem Straßenbild verschwunden sind, junge Leute, die versuchen dies oder das zu verscherbeln, viele Taxis, Imbiss-Cafés („Sandewiji“), Bettler und der Reigen von Geschäften und Restaurants. Nicht wenige sind hier schon erschrocken, als in der Vitrine eines Imbissgeschäftes plötzlich eine Kakerlake vorbeizischt. Ja, die Kakerlaken – neben Armut, Drogen und Arbeitslosigkeit werden sie als viertes Übel Teherans bezeichnet. Überall sind sie zu finden, nur im Norden hilft man sich mit teurem „Sampashi“ (Desinfektion).

„Aber der Ghalibaf, das ist der erste Bürgermeister, der etwas tut für uns, nun wird Teheran wieder zu einer Weltstadt. Ich bin froh, dass er sich um uns kümmert“, meint Moshiri. Tatsächlich ist das heutige Teheran mit dem Teheran vor vier Jahren nicht zu vergleichen. Drei modernste U-Bahn Linien haben zu einer deutlichen Entlastung des Verkehrs beigetragen, drei weitere Linien, unter anderem eine Schnellverbindung zum internationalen Khomeini Flughafen, sollen schon bald folgen. Außerdem hat Ghalibaf trotz des strikten islamischen Reglements des Gottesstaates den Einzug des 21. Jahrhunderts in Teheran ermöglicht. 3D – Kinosäle, moderne Handyshops und Labels wie Benetton und Adidas haben in Teheran viele Filialen eröffnet. Auch der Kampf gegen die Kakerlaken zeigt erste Erfolge. Durch eine effektivere Müllabfuhr und Massensprühungen sind die Insekten in manchen Stadtteilen bereits fast ausgerottet worden.

Kritiker des Bürgermeisters werfen der Stadtregierung jedoch vor, nichts im Kampf gegen die Massenarmut und Kriminalität zu tun. Die Inflation und die daraus resultierende Teuerungswelle führen zu hoher Kriminalität in Teheran. Für sozial Schwache sollte es spezielle Einrichtungen geben, Bettler und Obdachlose sollten nicht in Parks herumlungern, sondern gezielt betreut werden, so die Forderung der Opposition.

*Lektor MMag. Dr. Arian Hamidi Faal
lebt und arbeitet als Journalist, Werbemodel, Moderator und Universitätslektor in Wien und Paris. Der Nahostexperte ist unter anderem für das französische TV, Kronehit und die Wiener Zeitung tätig.

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