Die Geschichte der Holzkunst in Altiran: Bei den Ausgrabungen im Susa-Gebiet (Persisch = Shush), in Südwest-Iran, wurden feine Mosaikstücke aus der Elamiten-Ära (ca. 4000 v. Chr.) gefunden, die man als Ursprungsstücke der Einlegearbeit für die damalige Zeit bezeichnen kann. Solche Fundstücke der Elamitenzivilisation liegen auch in den archäologischen Museen im Iran (Teheran, Haft-Tappe, Schusch {Susa}). Diese Mosaik-Objekte weisen Jahrtausende an Kunstentwicklung des Landes nach. Mittlerweile hat sich diese Feinkunst im Iran zu einer feineren Holzkunst entwickelt, die man, nach deren Charakter, Materialien und Feinheit, mit der neuen Bezeichnung „Nadelkopfmosaik“ beschreiben kann. Auch die steinernen Felsenbilder zeugen von einer gewissen Holzkunst in Altiran.
Auf der Treppenwand des Apadana-Palastes in Persepolis (Persisch= Taxt-e Jamshid) begegnen wir den Reliefen der Völkergesandten, die, wegen des Nowruz-Festes, die besten Erzeugnisse ihres Landes für den Shahanshah als Geschenk mitgenommen haben sollen. Unter diesen Geschenkartikeln sieht man auch einen gedrechselten Holzsessel, den ein Gesandter auf den Schultern trägt. Weiteres sehen wir auf der Frontwand des „Naghsh-e Rostam“, auf der Grabstätte von Daryush, in Persepolis, ein Relief der Völkervertreter, die eine riesige Thronplatte mit gedrechselten Holzfüßen auf den Schultern tragen, worauf der König Daryush auf seinem – auch gedrechselten – Thronsessel sitzt. Die Platte wird hoch gehalten und die Füße sind deutlich zu sehen.
Weitere Berichte bekommen wir von der Altstadt Pasargade, wo eine Handwerkschule in der Achämenidenzeit errichtet wurde, die später in Taxt-e Jamshid (Persepolis) zur Blüte gelangte. Daryush hat in den Schriften auf den Felsen bekannt gegeben, dass er das Holz „RIKA“ für die Handwerker aus Ghandhar und Kerman beschaffen hatte.
Die Epoche der Achämeniden war die erste Periode einer eigentlichen iranischen Kunst. Aus dieser Zeit gibt es noch unterschiedliche Arten von Kunstprodukten in den Museen. Die Holzkunstobjekte aus den Pazirik-Ausgrabungen liegen im Eremitage-Museum in St. Petersburg. Die Weltreisenden, wie Marco Polo und Adam Oleareus, haben in ihren Reiseberichten viel darüber geschrieben. (Survey of Persian Art, S. 343) Auch unter der Sassaniden-Dynastie waren u.a. die Holzkunst-Produkte, im Handel mit den anderen Ländern, besondere Artikel. Das erscheint umso glaubhafter, als von Forschern darauf hingewiesen wird, dass für die Kunstauffassung der Iraner eine äußerst enge Verbindung zwischen Wort und Gegenstand, zwischen Literatur und bildender Kunst typisch ist.
In weiteren Berichten steht, dass im 14. Jahrhundert (8. Jahrhundert des Mondkalenders) diese Kunst in ganz Iran bekannt war und ein grosses Ansehen bei Hofe des Teimur Lang (Tamerlen) gefunden hat. Der Herrscher (1405 n. Chr.) hatte angeordnet, zwei Türen mit Einlegeüberzug (Khatamkari) für seinen Traumpalast (Delgoscha) in Samarghand zu produzieren. Solche Türen mit Khatamüberzug gibt es derzeit auch im Berliner Museum und im Victoria and Albert Museum in London. (Survey of Persian Art, S.361)
Eine wunderschöne Khatamkari ist in der alten Freitagsmoschee (Masjed-e Jame-e atigh) in Schiraz, aus dem 11. Jahrhundert, zu besichtigen. Die Iraner haben diese Kunst im Laufe der Zeit entwickelt, mit weiteren Verzierungen ergänzt und später teilweise mit Miniaturmalerei kombiniert, wodurch ein hohes Niveau erreicht wurde.
Die Werkstücke unter der Safavidenzeit weisen auf eine hochelegante Einlegekunst hin. Diese Zeit war für viele Kunstbereiche, wegen der großzügigen Ünterstützung des Shahs, eine florierende Epoche. Die Einlegekunst hat in dieser Zeit eine neue Dimension geschaffen. Viele Kunstbereiche wurden, während dieser Zeit, durch finanzielle Unterstützung des königliches Hofes, enorm bereichert. Auch die Holzfeinkunst „Khatamkari“ hat aus dieser Gelegenheit profitiert und so ein Ansehen gefunden, dass die Prinzen sich diese Kunst in der Hofwerkstatt angeeignet hatten.
Die Qualität der Künste, in der Zeit der nachkommenden Dynastien, hat unter dem mangelhaften Entwicklungprozess gelitten. Statt weiterer Entwicklungen haben manche Branchen einen Rückgang erlebt. Während der zwei Nachfolge–Dynastien, nähmlich „Afschar“ und „Zandiye“, konnten zwar einige Fortschritte, mit wenig künstlerischer Besonderheit, gemacht werden, aber in der Zeit der Qajaren-Dynastie haben alle Kunstrichtungen qualitätsmäßig einen unglaublichen Rückgang erlebt. Erst wieder ab 1911 hat sich eine Bewegung in den Kunstwerken gezeigt.
Die Holzeinlegekunst: Die Holzeinlegekunst hat sich in zwei Richtungen entwickelt: Moarragh-e Chub (Europäisch= Intarsien), und Khatamkari (Europäisch= Marketerien). Khatam bedeutet soviel wie Siegel oder Ring mit Stein (Persisch = Negin), weshalb man die Einlegekunst in persischer Sprache „Khatamkari“ nennt. Die feinsten Khatamprodukte sind im Iran zu finden. Erst in der Zeit des 20. Jahrhunderts, zu Beginn der Ära der Pahlavi-Dynastie sind diese Künste, durch die Gründung der Kunsthochschulen in Teheran, Esfahan und Schiraz schwungartig aufgeblüht. Eine Seltenheit, besonders weltweit, sind die Türen und Wandverkleidungen der Schahpaläste (Marmor-Palast) in Teheran mit einer hochentwickelten Verzierungskunst, nämlich „Khatamkari“. Eine außergewöhnliche Sonderform, die nur im Iran mit Beginn des vergangenen Jahrhunderts gepflegt wurde.
Die kunstvolle, außergewöhnliche 400m2 Wandverkleidung der inneren Wände und der Plafond des Palastsaals aus Khatam wurde, im Marmor-Palast in grandioser Dimension, mit Khatamverkleidung bearbeitet. In diesem Maße stellt man sich vor, dass Abermillionen Nadelpunke zusammengesetzt wurden, bis eine Wand verkleidet werden konnte. Arthur Pop schreibt in seinem Buch: „… für jeden Quadratinch Khatam, muss der Meister mehr als 600 Nadelstücke zusammen binden“. Er erzählt auch von zwei Türen, die mit Khatamüberzug auf Walnußholz verziert worden sind. Diese Türen hatte er im Jahre 1951 besichtigt. Zwei Großmeister aus dieser Zeit, Meister Mohammad Hosein Sani´-Khatam (Saniolmolk) und Mohammad-Khalil Golriz haben, mit 6 anderen Meistern, diesen Auftrag von Reza Shah Pahlavi, im Jahre 1313 (1934), übernommen und ununterbrochen 3 Jahre lang durchgearbeitet. Der verkleidete Palastsaal weist einen Höhepunkt der Entwicklung dieser Kunst auf. Der Marmorpalast der Pahlavi-Dynastie in Teheran wurde seit 1970 als Kunstmuseum für diese Kunstrichtung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aus dieser Zeit stammen noch viele andere kostbare Werke, darunter einige riesige Esstische und Möbelstücke, die jetzt im Museum der Nationalkünste Irans, in Teheran, zu bewundern sind.
Motive im Laufe der Zeit: Wegen des strengen Bilderverbots des eslamischen Glaubens, wurden die darstellenden Künste, darunter auch die Verzierungskunst, gezwungenermaßen in eine Richtung mit Blumen- und Pflanzenmotiven geführt. Die besten Vertreter dieser Kunst sind die Fayenceverkleidungen der Innen- und Außenwände der iranischen Moscheen mit blauer Keramik. Im Bereich der Holzkunst wirken die hervorragenden Darstellungen von geometrischen Mustern und von traditionellen dekorativen Motiven reizvoll in ruhiger Rhythmik. Unter den Werken der Kunstwerkstätten zeugen solche von dem hohen Reifegrad und der Originalität welche die meisterhaften Werke von Mohammad Saniolmolk darstellen. Aber in den königlichen Palästen und Privathäusern wurden immer wieder, neben den geometrischen und von Pflanzen beeinflussten Motive, auch figurative Darstellungen präsentiert.

Von Beginn an wurden Tische, Stühle oder Teile von verzierten Türen und Wandverkleidungen mit Khatam überzogen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden häufig Bilderrahmen oder auch Schmuckkästen, Spiegelrahmen, Schreibzeuge und Federpenale überzogen. Heutzutage findet man in jedem iranischen Souvenirgeschäft hunderte Artikel von Khatam-Erzeugnissen und sie sind die Nr. Eins unter den beliebten Exportartikeln. Die europäischen Touristen bevorzugen die kleinen Behälter und Federpenale, während die Touristen aus arabischen Ländern verzierte Bilder mit Koranversen begehren. Heutigentags findet man in Souvenirgeschäften auch Pfeifen oder Kugelschreiber mit Khatamüberzug. Im Unterschied zur Intarsie wird die Marketerie im Ganzen vorgefertigt und auf dem preiswerten Blindholz aufgeleimt.
Europäische Richtung: Aus der Bearbeitungsform wurde die Holzkunst im Iran in einer unterschiedlichen Richtung, unter einem Begriff „Khatamkari“, geführt. In Europa findet man die Bezeichnung in französischen Kunstbüchern unter dem Begriff „Marketerie“, die zwar mit Intarsie nicht zu vergleichen ist, aber doch zu den Einlegearbeiten aus Holz und anderen Materialien zählt. Es sind zwar orientalischen Einflüsse häufig im venezianischen Stil ausgeprägt anzutreffen, wie in der Einlegearbeit der Holzverzierungen und den Raumteilern des Frühstückssaals zu erkennen ist, aber die europäische Marketerie hat sich in eine andere Richtung entwickelt als die iranische „Khatamkari“. Die iranische „Khatamkari- Erzeugnisse“ sieht wie ein Punkte-Mosaik oder Nadelkopfmosaik aus.

Jeden fügsamen Zierabschnitt kann man auf die Oberfläche des Objektes aufkleben. Dafür braucht der Handwerker erst eine dünne Schicht von Holzleim auf die Oberfläche des Objektes aufzutragen, dann die Schnitte nach Form zu fixieren und zwischen zwei Holzblättern, mit dem Schraubstock, zu pressen. Auf diese Art klebt man die Schnittscheibe auf jede Form von Objekten auf, sei es eine flache Holzfläche, wie ein Schachbrett, eine Schachtel etc. oder auf runde Flächen, wie Musikinstrumente, Federpenale, Bilderrahmen usw. Man benötigt für die Bearbeitung der Khatamkari verschiedenfarbige Hölzer wie: Mahagoni, Buche, Birke, Vogelaugenahorn, Kirsche, Pflaume und Rokholz. Um die natürlichen Holzfarben zu benützen, nehmen die Künstler auch Brustbeerenholz für die rote Farbe, Zitronenholz für hellgelb, Arekanuß für dunkelrot, weiters Teakholz (indische Eiche) und Ahorn. Für die wertvollen und teueren Aufträge nehmen die Künstler Ebenholz, Perlmutt, Elfenbein oder Messing dazu. Wenn sie grünfärbiges Holz brauchen, müssen sie die vorbereiteten Holzstücke vier bis acht Wochen in einer Flüssigkeit getaucht halten, die mit einer Mischung aus Kupferstaub und Salmiak gemacht werden müssen.

Zum Porenfüllen wird eine Mischung aus gleichen Teilen Schellack, Ethanol und feinstem Bimsmehl verwendet. Diese Paste wird mit einem kräftigen Borstenpinsel auf das Holz aufgetragen und anschließend mit einem Gummispachtel und einem in Ethanol getränkten Tuch wieder abgenommen. Die Versiegelung von Erzeugnissen mit einer guten Schellackpolitur ist nicht nur ein zeitaufwendiger Vorgang, sondern bedarf ebenso einer erfahrenen Hand, da es sich um einen Veredelungsprozess handelt, der durch die eingesetzten Materialien ein äußerst sensibler ist. Er besteht aus drei unterschiedlichen Arbeitsteilen: Porenfüllen, Schichtaufbau und Aufpolieren mit abschließender Reinigung. Die Reinigung der geschliffenen Stelle sollte nur mit einem trockenen, nicht kratzenden höchstens „nebelfeuchten“ Tuch stattfinden, damit lassen sich auch kleinere Verschmutzungen leicht entfernen.
Zum Abschluss erhalten die sorgfältig und fein geschliffenen Flächen noch eine Oberflächenbehandlung, welche die Farben und Strukturen der Hölzer belebt. Glänzenden Klarlack ist transparenter Lack, der meist nur aus Binde- und Lösungsmittel aufgebaut ist. Klarlack dient häufig als Beschichtungsstoff, wenn der zu beschichtende Stoff ansehnlich ist, häufig für Holz, und die Oberfläche dennoch vor äußeren Einflüssen geschützt werden muss (bei Holz z.B. Feuchtigkeitseinflüsse).
Der letzte Arbeitsgang ist eine etwaige Fehlerkorrektur, kleine mit Bims nachzuarbeitende Löcher in der Oberfläche zu füllen, die in der zwischenzeitlichen längeren Trocknungsphase entstanden sind, sowie eine anschließende herzhafte Aufpolierung der spiegelnden Oberfläche. Den Abschluss bildet die Reinigung der Oberfläche von den Rückständen des Öles, welche mit einer „Entfettungscreme für schellackpolierte Oberflächen“ seinen letzten Arbeitsgang findet.
Literatur
Massimo Ferretti: I maestri della prospettiva. In: Storia dell’arte italiana, Bd. 11, Turin 1982, S. 459–580
Helmut Flade: Intarsia. Europäische Einlegekunst aus sechs Jahrhunderten. Dresden 1986
John Fleming, Hugh Honour: Dizionario delle arti minori e decorative. Mailand 1980
Olga Raggio: The Gubbio studiolo and its conservation. Bd. 1: Olga Raggio: Federico da Montefeltro’s palace at Gubbio and its studiolo; Bd. 2: Antoine M. Wilmering: Italian Renaissance intarsia and the conservation of the Gubbio studiolo. New York 1999
Survey of Persian Art, 1977 J. Glock/ Karl Penton, Ltfollah Honarfar, Tehran, Bank-e Melli Iran.
The traditional Crafts of Persia, Hans E. Wulff, 1976 (ترچمهی به فارسی از: دکتر سیروس ابراهیم زاده)