Heiliger Hâfez, die mystische Zunge

Noch heute gilt Hâfez als der größte Lyriker der persischen Sprache. Er ist eine Legende, hochverehrt von seinen Anhängern, tief geschmäht von den ignoranten Geistlichen. Bis heute nennen ihn die Perser die „mystische Zunge“, um seine un-orthodoxen religiösen Neigungen zum Ausdruck zu bringen.

Vergeblich versucht die Orthodoxie seit Jahrhunderten, den Skandal der Poesie loszuwerden, indem sie dem Dichter mit haarsträubenden Interpretationen das Wort im Munde herumdreht- ein weiteres Indiz dafür, dass die alten Landessitten, und sei’s auch nur sub rosa, jeder Diktatur widerstehen 1Hafez ist in Deutschland zu Beginn des 19. Jh. heimisch geworden. Sein Divan wurde 1812/13 durch den österreichischen Diplomaten und Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall zum ersten Mal vollständig ins Deutsche und damit überhaupt in eine europäische Sprache übersetzt, und hat unmittelbar, durch diese Übersetzung, auf den beherrschenden Dichter dieser Epoche, Goethe, so stark eingewirkt, dass dieser eine romantische Wende in seinem Lebenswerk vollzog. Er fand in Hâfez eine verwandte Zwillingsseele über die Jahrhunderte und Kulturen, und er schuf in seinem Geist ein neuartiges Werk: den „West-östlichen Divan“, der 1819 erschien. Er schreibt über Hâfez:

Sie haben dich, heiliger Hafis,

Die mystische Zunge genannt,

Und haben, die Wortgelehrten,

Den Wert des Worts nicht erkannt.

Mystisch heißt Du ihnen,

Weil sie Närrisches bei dir denken

Und ihren unlautern Wein

In Deinem Namen verschenken.

Du aber bist mystisch rein,

Weil sie dich nicht verstehen,

Der Du, ohne fromm zu sein, selig bist!

Das wollen sie dir nicht zugestehen.

Johann Wolfgang von Goethe

Hâfez und Goethe waren zwei gleichgesinnte Denker in zeitverschiedenen Epochen. In vielen Gedichten kritisieren Hâfez und Goethe die sozial-politischen Zustände, die Heuchler und die radikalen Gruppen, die der dichterischen Freiheit Grenzen gesetzt hatten. Reinheit und Schlichtheit gehören zu den besonderen poetischen und persönlichen Eigenschaften bei ihnen und in ihrer Lyrik. Bei ihnen haben alle Religionen und persönlichen Meinungen die gleiche gebührende Stellung.

Der Divan von Hafez und die Werke von Goethe haben viele verschiedene Herrscher überlebt und unzählige Herzen fröhlich gestimmt. „Süßes Dichten“ im künstlerisch geschmückten und attraktiven „Gewand der Poesie“ zieht noch mehr an und wirkt effizienter…

Ist es nötig zu sagen, dass Hafez der wohl genialste, feinfühligste und geradezu virtuoseste Poet des vergangenen Millenniums ist? Ein wahrlich beeindrucken-des Buch. Hafez’s Kunst im Umgang mit den Worten, mit der Sprache, ist bis heute unerreicht; sowohl im Osten wie auch im Westen. Hâfez hat das Wesen der Schönheit in Sprache gegossen!

Die Weisheiten, die in seinen Niederschriften enthalten sind, offenbaren sich mit Raffinesse, Sänfte, mit bildhafter Phantasie und wundervoller Metaphorik. Ein jeder, der behauptet in Sachen Literatur bewandt zu sein, sich auszukennen, belesen und gar weltmännisch zu sein, und die Verse Hafez’s nie zu Gesicht bekommen hat, der irrt. Hâfez ist die dritte Dimension des geschriebenen Wortes [2].

Khâje Schams ol Din Mohammad Hâfez, iranischer Lyriker, wurde zwischen 1317 und 1326, in einer wohlhabenden Handwerkerfamilie, in Schiraz, der Hauptstadt der heutigen Provinz Fârs, geboren. Über sein persönliches Leben ist uns wenig überliefert worden. Sein Dichter-Ruhm drang, bereits zu seinen Lebzeiten, weit über Fârs hinaus in die Persisch sprechende bzw. verstehende Welt, bis nach Indien, Byzanz, Samarkand und China. Er galt als der Gipfel der iranischen Lyriker. Er spricht in seinen Versen selbst wiederholt von diesem Ruhm:

O Hâfez, die Kunde von deinem blendenden Zauber reicht

Bis an die Grenze Ägyptens und Chinas

und bis in die Gegenden von Byzanz und Rey.

Zum Lied des Hâfez von Schiraz tanzen und tändeln

Die schwarzäugigen Kaschmiris und Türken von Samarghand [3].

Hâfez hat offenbar eine sorgfältige akademische Ausbildung genossen, wofür nicht nur eine gründliche Korankenntnis spricht und seine vollkommene Beherrschung des Arabischen, sondern auch die Tatsache, dass er später selbst Lehrer an einer theologischen Hochschule wurde, die der Wazir Haji Qawâm ol-Din ihm zu Ehren gestiftet haben soll.

Hâfez’s Leben fiel in eine düstere Zeit. Despotische Herrscher etablierten ihre Macht, fielen übereinander her und füllten das Land mit Terror und Blut. Hâfez’s Gedichte lassen nur selten direkte Reflexe dieser Zeitläufe erkennen. Aber vier Herrscher seiner Zeit werden, da und dort, offen oder verdeckt, erwähnt.

Hâfez starb im Jahre 1389 in seiner Geburtsstadt, Schiraz. Nach seinem Tode soll ihm von strenggläubigen Mullahs ein religiöses Begräbnis verweigert worden sein. Nochmals der Legende gemäß, soll schon zu diesem Zeitpunkt sein eigener Divan dazu gedient haben, und man stieß auf den Vers:

„Halte deinen Schritt nicht zurück von der Bahre des Hâfez

Mag er auch in Sünde versunken sein, er geht ein ins Paradies“.

Daraufhin wurde er würdig bestattet. Heute befindet sich in Schiraz sein prächtiges Mausoleum, ganz nahe bei jenem des anderen großen Dichtersohnes der Stadt: Saadi. Seit seinem Tod hat sich an seines Dichter Ruhms nichts geändert. Noch heute gilt in der iranischen Welt seine Gedichtesammlung, der Divan, der erst nach seinem Tode gesammelt und als kompletter Divan veröffentlicht wurde, nach dem Koran, als meistgelesener Text.

Er begehrt lieber den friedlichen Weg, weil er fast überzeugt ist, dass das Gute und die Liebe zum Schluss doch gewinnen werden. Eine Überzeugung, die heutzutage in den multikulturellen Gesellschaften eine Seltenheit ist.

Im Jahre 1858-64 veröffentlichte der Wiener Orientalist Vinzenz von Rosenzweig-Schwannau seine dreibändige Textedition mit deutscher Übersetzung. Er war ein hervorragender Kenner des Persischen:

Nach dem Freunde sehnt sich jeder,

Leb’ er nüchtern, trink’ er Wein;

Liebe haust an jeder Stätte, Mag’s

Moschee, mag’s Kirche sein.

Hâfez, übersetzt von Rosenzweig

Friedrich Rückert, der Orientalist und Dichter, der selbst viele Hâfez–Gedichte ins Deutsche übertragen hatte, sagte:

Sein Geheimnis ist unübersinnlich,

denn sein Sinnliches ist übersinnlich

Friedrich Rückert

Was hat der nüchterne Fromm mit runkner Liebe gemein?

Wohin dort lockt die Predigt und hier die Schlanken wohin?

Hâfez,, übersetzt von Rückert

Auf, Schenke! Den Pokal gefüllt für unsre durstige Tafelrunde,

Die Liebe, die mich einst beglückt, jetzt richtet kläglich mich zugrunde.

Oh, lenkt nicht von Hafisens Grab die Schritte: ob sich’s auch erweise,

Dass er voll Sünden sank hinab: Er geht doch ein zum Paradiese!

Hâfez, übersetzt von Friedrich Bodenstedt

Gestern zechend, traumverloren, hörte ich es pochen leis:

Klopfend an der Schenke Toren, standen – Engel still im Kreis.

Unsers Vaters Adam Asche, taten sie in den Pokal,

ihr vermählend aus der Flasche, edlen Weines Purpurstrahl.

Hâfez, übersetzt von G. Jacob

Dufte hat die Moschusblase, nur aus jenem Haar empfangen.

Rosenwasser prunkt im Glase, mit Geruch von jenen Wangen.

Hâfez,, übersetzt von August Graf von Platen

Nietzsche fand in ihm einen reinen, heiteren freisinnigen Ekstatiker.

Frage eines Wassertrinkers:

Die Schenke, die du dir gebaut,

ist größer als jedes Haus,

Die Tränke, die du drin gebraut,

die trinkt die Welt nicht aus.

Der Vogel, der einst Phönix war,

der wohnt bei dir zu Gast,

Die Maus, die einen Berg gebar,

die – bist du selber fast!

Bist Alles und Keins, bist Schenke und Wein.

Bist Phönix, Berg und Maus,

Fällst ewiglich in dich hinein,

Fliegst ewig aus dir hinaus

Bist aller Höhen Versunkenheit,

Bist aller Tiefen Schein,

Bist aller Trunkenen Trunkenheit

wozu, wozu dir – Wein?

Friedrich Nietzsche

Es ist die Liebesfülle

Im lieblichsten Revier,

Der Holde, treue Wille

Wie zwischen mir und ihr.

Goethe: West-östlicher Divan [4]

Genieß’ des Lebens Rosenzeit

Bei Spiel und Sang, im Glück der Liebe.

Nicht über eine Woche Frist

Kannst du der Herrlichen vertrauen.

Hâfez: Übersetzung von F. Bodenstedt

Mönchlein ohne Kapp und Kutt,

Schwatz nicht auf mich ein!

Zwar du machst mich kaputt,

Nicht bescheiden, nein

Goethe: West-östlicher Divan

Schilt nicht weinbefleckte Zecher, du mit Reinheit angetan!

Denn es werden fremde Sünden dir ja nicht geschrieben an.

Hâfez: Übersetzung von Friedrich Rückert

Alâ yâ ayohâl Sâqi, adir Ka’san va navelha

Auf, o Schenke, lass den Becher kreisen und reiche ihn (mir);

die Liebe schien am Anfang leicht (zu sein), doch

(dann) geriet sie in Schwierigkeiten.

In der Hoffnung auf den Moschusduft, den der

Morgenwind endlich von Schopfe; ausströmen lassen sollte;

fiel, ach, wie viel Blut wegen des schwarzen Haar-

Geringels in die Herzen (der Liebenden).

Mit Wein färbt den Gebetsteppich ein, wenn der

alte Magier es dir sagt;

ist der Pilger doch nicht unkundig des Pfads und

des Brauches auf den Wegstationen.

Welche Gewissheit des Lebensgenusses kann es für

mich im Haus des Geliebten geben;

wenn jederzeit die (Karawanen-)Glocke schrillt:

Packt auf euer Bündel!

Finstere Nacht und der Schrecken der Wogen und

der Wasserschlund so grauenvoll;

wie können unseren Zustand die Leichtbeladenen

am Ufer verstehen?

Meine ganze Sache ist durch meine Selbstsucht in

Verruf geraten, gewiss;

wie kann ein Geheimnis verborgen bleiben, das

zum (Gespräch der) Zirkel ward?

Willst du seine Gegenwart? so entferne dich nie

von ihm, o Hâfez;

sobald du (ihn) gefunden hast, den du ersehenst,

lass die Welt und kümmere dich nicht

mehr um sie. [5]

LITERATUR:

1.Wolfang Günter Lerch in der FAZ am 13.7.2000, anlässlich der Einweihung des Hafisdenkmals in Weimar

2. Ojand Hadinia

3. Eine vollständige Übersetzung vom Hâfez-Divan (Gedichtsbuch), ins Deutsche, ist neuerlich durch Joachim Wohlleben erschienen, 2004 Ketabsaraye Nik, Teheran, Iran.

4. West-östlicher Divan, J. W. von Goethe

5. Kurt Scharf, berichtet im Buch: Hafis, Rumi, Omar Chajjam,

„Die schönsten Gedichte aus dem klassischen Persien“, von Cyrus Atabay, Brek Verlag, München, …

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